In schlechter Verfassung

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In schlechter Verfassung

Die Klügere gibt nach: Gestern hat Frauke Brosius-Gersdorf erklärt, dass Sie nicht mehr für ein Amt als Richterin am Bundesverfassungsgericht zur Verfügung steht. Damit beugt sich die Rechtswissenschaftlerin dem Widerstand aus den Reihen der Bundestagsfraktion von CDU und CSU.

Es ist nicht akzeptabel, dass die konservativen Unionsparteien Frauke Brosius-Gersdorf als Bundesverfassungsrichterin verhindert haben. Aber es ist ein Skandal, WARUM sie verhindert wurde. Ein Skandal, WIE sie verhindert wurde. Weiterlesen

Leerstellen

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Leerstellen

Preisfrage: Wie kann es sein, dass in einem Bundesland massiv Lehrerinnen und Lehrer fehlen, Stunden nicht ordentlich gehalten werden oder ausfallen, Schüler, Eltern und Lehrerkollegien über den Mangel klagen – und das zuständige Kultusministerium sagt, das könne gar nicht sein? Wer hat da einen Knick in der Optik: Die Verwaltung oder alle anderen?

Jetzt könnten wir die Antwort haben: Ja, die Landesverwaltung hat einen Knick in der Optik, genauer gesagt in ihren Zahlen. Ein Fehler in einer Verwaltungssoftware führte womöglich dazu, dass bald 1500 Lehrerstellen zwei Jahrzehnte lang nicht besetzt wurden, obwohl sie eingeplant und im Haushalt finanziert waren. Die grün-schwarze Landesregierung rechnete also mit einem ganzen Dorf an Lehrkräften, die sie zu haben glaubte, aber in Wahrheit gar nicht hatte. Wenn das so wäre, wäre es kein Wunder, wenn die Debatten der vergangenen Jahre immer so etwas Surreales hatten. Das ganze Land schaute auf den echten Mangel an den Schulen, die Kultusministerin und die Landesregierung aber auf ihre falschen Zahlen. Aber Lehrkräfte, die man sich nur einbildet, nützen an den Schulen gar nichts.

Es scheint so, als sei dieser Fehler schon vor 20 Jahren gemacht worden, seither wurde er wurde er von Jahr zu Jahr weitergereicht. Vor bald zehn Jahren war ich selbst auch einmal Kultusminister, und ich hatte damals also ebenfalls Lehrerstellen in den Büchern, die in Wahrheit gar nicht besetzt waren. Freilich war der Lehrkräftemangel damals noch nicht annährend so übel wie heute, und damals musste ich sogar noch gegen die Auffassung ankämpfen, es brauche viel weniger Stellen für Lehrkräfte. Vor allem unsere damaligen Koalitionspartner von den Grünen wollten einen gewaltigen Abbau.

Ein alter Fehler, und so hat es nicht die heutige Kultusministerin zu verantworten, dass 1500 Lehrerstellen einfach aus unseren Schulen gepfuscht wurden. Wohl aber ist es ihre Verantwortung, die verheerenden Folgen dieses Fehlers so schnell wie möglich zu beheben und den entstandenen Schaden wieder gutzumachen. Womöglich haben sich viele, sehr viele Schulen in den vergangenen Jahren eben nicht ohne Grund über mangelnde Lehrkräfte beschwert, womöglich waren all unsere Klagen über schwache Reserven doch kein Oppositionsgetöse. Und vielleicht war die Idee, Hunderten und Aberhunderten aktueller Referendarinnen und Referendare für die Gymnasium keine passenden Stellen anzubieten, nicht nur doppelt, sondern dreifach falsch.

In der Bildungspolitik geht es um Schulen, Kinder und ihre Chancen für ein ganzes Leben. Also jetzt die Fehlplanungen beheben, Lehrkräfte einstellen, Mängel beheben, und vor allem das Geld, das den Schulen zusteht, auch für die Schulen ausgeben.

Wenn all das erledigt ist, können wir uns dann mal genau ansehen, wie es überhaupt zu den falschen Zahlen in der Software des Landesamts für Besoldung und Versorgung kam. Und wir müssen mal überprüfen, ob uns vielleicht auch Polizei- oder Finanzbeamte fehlen. Hat nur das Kultusministerium seine Daten falsch übertragen? Und dann bleibt auch noch die Frage, was mit all dem Geld geschah, dass Jahr für Jahr für die Lehrkräften eingeplant war, die es gar nicht gab. Über 20 Jahre reden wir da von weit jenseits einer Milliarde Euro. Wo blieb das Geld? Was machen wir damit? Ein Sondervermögen für unsere Schulen müsste eigentlich schon angespart sein, wenn es nicht in den obskuren Rücklagen der grün-schwarzen Kassen verschwand.

Das EDV-Programm des Landes, das den Fehler über all die Jahre weiterfuhr, heißt übrigens „Dialogisiertes Integriertes Personalverwaltungssystem“ – abgekürzt „Dipsy“. Und wem das bekannt vorkommt: „Dipsy-doodle“ heißt auf Englisch „Schlangenlinie laufen“ oder „Herumtorkeln“. Wir verstehen jetzt vieles besser.

Nachhaltig nichts gelernt

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Nachhaltig nichts gelernt

Man muss kein Bildungspolitik-Nerd sein, um stutzig zu werden: Das Land Baden-Württemberg will hunderten frisch ausgebildeter junger Lehrerinnen und Lehrer für unsere Gymnasien keine Stellen anbieten. Man braucht sie gerade nicht, heißt es. Man braucht keine Lehrkräfte? Wie bitte?

Die Regierung aus Grünen und CDU verweist auf das neunjährige Gymnasium: Das haben sich Eltern und Schüler erstritten, gegen den Willen der aktuellen Landesregierung. Denn G9 klappt zwar besser als G8, braucht aber mehr Lehrkräfte. Und die, so hieß es dann aus dem Kultusministerium, seien erstens teuer und zweitens gar nicht da. Weil Lehrkräfte fehlen.

Nun, G9 kommt. Aber natürlich nicht auf einmal, sondern nach und nach. Also machen Schülerinnen und Schüler noch ein paar Jahre nach acht Jahren das Abitur, während die unteren Klassen in ein Gymnasium mit neun Jahren starten. Während dieser Zeit haben wir also obere Klassen, in denen noch ein neuntes Schuljahr fehlt, haben aber untere Klassen, in denen die Zahl der Wochenstunden sinkt, weil man ja ein Jahr länger Zeit hat. Ein paar Jahre langt gibt es also im Schnitt ein paar Stunden weniger zu unterrichten.

Genau diesen kleinen Abschnitt nutzt Grün-Schwarz jetzt, um hunderte junger Lehrkräfte in die Wüste zu schicken. Sie könnten ja an andere Schulen gehen, heißt es, so als ob Grundschullehrkräfte nicht eine deutlich andere Ausbildung hätten und an Grundschulen jeder Bewerber eingestellt würde. Im Gegenteil: Es gibt momentan auch an den anderen Schularten wenig Stellen, da würden die abgewiesenen Gymnasiallehrkräfte also noch für zusätzliche Konkurrenz sorgen.

Es heißt auch vom Land, die neuen Lehrer könnten ja in ein paar Jahren noch mal wiederkommen – so als ob sich junge Leute mal eben einfrieren könnten, bis man sie braucht.

Wie abgrundtief dämlich das ist, kann ich kaum in Worte fassen. Denn in Baden-Württemberg wurden jetzt nicht nur jahrelang Lehrkräfte händeringend gesucht, wurde nicht nur sogar mit einfältigen Plakatkampagnen für den Lehrberuf geworben – und Baden-Württemberg fehlen Lehrkräfte, und zwar überall. Jede zehnte Schulstunde fällt aus wegen Lehrkräftemangel, für erkrankte Lehrerinnen und Lehrer gibt es keine Vertretungen. Individuelle Förderung, mehr Fürsorge an Brennpunktschulen, Demokratie stärken – immer heißt es, es fehlten leider die Lehrkräfte. Und nun setzt man die Lehrkräfte, die es hat, auf die Straße?

Als ich Kultusminister wurde, hatte die Regierung noch vor, im ganzen Land über 12 000 Lehrerstellen abzubauen. Es würden ja weniger Schüler, hieß es. Diese Prognosen waren schon damals veraltet, die Zahl der Kinder stieg, die Kommunen meldeten Mangel an Kita-Plätzen. Dass diese Kinder später wohl auf eine Schule gehen würden – man hatte es übersehen. Mit viel Geduld und Spucke konnte ich die Streichpläne abwenden. Mehr Lehrkräfte wurden es aber nicht, obwohl wir dann schnell merkten, dass wir viel mehr gebraucht hätten.

Nun hält sich Grün-Schwarz wieder mal ganz fest die Augen zu: Das G9 läuft an, es wird bald mehr Lehrkräfte brauchen. Der Bedarf steigt sowieso, und der Ganztagsbetrieb kommt auch. Dazu rollt eine Welle an Pensionierungen auf uns zu. Uns werden bald noch viel, viel mehr Lehrkräfte fehlen. Und was macht das Land heute? Junge Lehrer wegschicken. Die grün-schwarze Landesregierung redet gerne von Nachhaltigkeit. Verstanden hat sie sie nicht. Und sie lernt auch nichts dazu.

Die SPD wird dafür kämpfen, dass alle gut qualifizierten jungen Lehrkräfte auch eine ordentliche Stelle bekommen. Weil sie das verdient haben, aber vor allem, weil wir sie alle brauchen. Heute schon und morgen schon zweimal.

Die SPD Baden-Württemberg hat ein Portal für angehende Lehrkräfte eingerichtet, die zum kommenden Schuljahr nicht in den Schuldienst übernommen werden.

https://www.spd-bw.de/jede-lehrkraft-ins-klassenzimmer

Hier können alle betroffenen Referendarinnen und Referendare ihre Fälle in anonymisierter Form schildern – damit wir verstehen, wie man uns austricksen will. Und damit wir besser dagegen vorgehen können.

Betrunken am Steuer

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Betrunken am Steuer

Nein, die SPD wird die AfD nicht verbieten. Überrascht? Dann lohnt es sich, weiterzulesen. Denn dieser Tage reden wieder sehr viele Leute über Dinge, die sie nicht richtig verstanden haben.

Die SPD wird die AfD nicht verbieten, weil die SPD das gar nicht kann. Auch die CDU kann das nicht und nicht die Grünen. Verboten wird eine Partei vom Bundesverfassungsgericht, und verboten wird sie, wenn sie gegen unsere Verfassung arbeitet und das so erfolgreich tut, dass sie die Demokratie ernsthaft gefährdet. Es gab schon Verbote, die daran gescheitert sind, dass eine Partei zwar klar extremistisch, aber eben viel zu unbedeutend war. „Ihr würdet nicht über ein Verbot reden, wenn die AfD nicht so groß geworden wäre“? Ja, kann sein. Das ist aber nicht Strategie, sondern Rechtslage.

Eine Partei wird nicht verboten, weil andere Parteien das wollen. Eine Partei wird verboten, wenn sie bei der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht durchfällt. Dass geprüft wird, kann aber die Bundesregierung beantragen. Oder der Bundestag. Oder der Bundesrat. Und die SPD ist dafür, dass das geschehen soll.

Machen wir es mal ganz einfach: Vor Euch fährt jemand mit dem Auto, der höchstwahrscheinlich betrunken am Steuer sitzt. Ihr selbst könnt ihn nicht anhalten. Aber Ihr ruft die Polizei. Die kann das. Und wenn jemand vollkommen betrunken am Steuer sitzt, verliert er seinen Führerschein. Nicht, weil Ihr das wollt, nicht, weil Ihr die Polizei gerufen habt. Er verliert seinen Führerschein, weil er eine echte Gefahr für uns alle war.

Die AfD fährt sozusagen Schlangenlinien in der Politik. Sie fährt über rote Ampeln und kommt verkehrt die Einbahnstraße runter. Das ist nicht nur unser Eindruck im Landtag oder im Bundestag, das ist auch der Eindruck unseres Verfassungsschutzes. Die AfD ist brandgefährlich.

Wer heute AfD wählt, wird nach einem Verbot nicht die SPD wählen. Vielleicht die nächste radikale Populistenpartei. Und doch hat die Demokratie sich dann gewehrt gegen ihre Feinde. Und unsere Demokratie soll eine wehrhafte sein.

Und ja, eben weil sich das Bundesverfassungsgericht eben nicht in seine Urteile reinreden lässt, ist es nicht unmöglich, dass eine Prüfung der AfD nicht zu einem Verbot führt oder nur zu einem teilweisen Verbot. Vielleicht findet der Autofahrer vor Euch ein paar echt gute Ausreden. Man kann das nicht ausschließen. Aber deswegen keine Polizei rufen, wenn einer mit Schlangenlinien Auto fährt? Das wäre dumm auf der Straße. In der Politik wäre es das auch.

Wenn Ihr die Polizei ruft, weil Ihr einen Betrunkenen im Auto seht, kommt Ihr deswegen selbst nicht schneller an. Ihr bekommt auch nicht sein Auto als Belohnung. Ihr habt gar nichts davon. Ihr habt einfach nur das Richtige getan.

 

Unehrlich Brothers

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Unehrlich Brothers

Ich weiß nicht, ob Ihr schon einmal eine Show der Ehrlich Brothers gesehen habt. Das ist auf jeden Fall unterhaltsam, und ich mag es auch, dass die Ehrlich Brothers offen dazu stehen, keine Zauberer oder Magier, sondern eben einfach nur Illusionisten zu sein. Ihre Shows sind fantastisch, aber es sind eben nur Tricks und Täuschungen. Faszinierend, wie man uns reinlegen kann.

Dass ich öfter an die Ehrlich Brothers denken muss, liegt auch an der aktuellen Landesregierung. Dass Winfried Kretschmann nicht zaubern kann ist in Ordnung, dass er in der Politik lieber zuschaut als zu handeln ist nicht in Ordnung. Dass er selbst in höchster Not nicht zu echten Maßnahmen, sondern nur zu Zaubertricks greift, ist schlimm.

Unseren Kommunen geht das Geld aus, und die Landesregierung inszeniert Nothilfe mit Milliarden. Allerdings ist das nur Geld, das den Kommunen ohnehin zusteht und noch beim Land liegt. Man gibt es etwas früher als üblich, aber das war es auch schon. Aber Simsalabim, Tusch und Spot an – schon sieht es aus, als habe die Regierung wirklich etwas getan. Und als einige (wenige) Journalisten dem Ministerpräsidenten vorrechnen, das Land habe ja nicht wirklich mehr Geld ausgegeben, kontert er: Hätte das Land das Geld der Kommunen noch länger gebunkert, hätte es 30 Millionen Euro mehr an Zinsen eingenommen. Er verkauft seine ZINSAUSFÄLLE als Wohltat für die Kommunen. Aber Simsalabim, das klingt nach viel Geld, die allermeisten Medien sind beindruckt: Wieder 30 Millionen mehr für die Kommunen. Faszinierend, wie man uns reinlegen kann.

Und weil das so gut klappt ist, macht die Landesregierung gleich weiter: Dieser Tage wedelte Minister Lucha mit dem Zauberstab. Simsalabim, Tusch, Spot – und Millionen für Krankenhäuser und die Kommunen, damit das Teilhabegesetz umgesetzt werden kann. Nur, dass diese Millionen schon im vorigen Herbst vereinbart wurden. Schon damals feierte sich das Land, behielt das Geld dann aber noch sehr lange in der eigenen Tasche – wegen der Zinsen, mal wieder. Jetzt ist die Hilfszusage vom Herbst so lange her, dass man ein und dieselben Millionen gleich noch einmal als Schlagzeile verkaufen will. Wenn das so weitergeht, wird das Land jeden Euro künftig dreimal bewilligen.

Ja, ich weiß: Tue Gutes und rede drüber. Aber diese Landesregierung ist längst soweit, dass nur noch das Reden bleibt, getan wird gar nichts mehr. In Wahrheit hilft und handelt Grün-Schwarz so wenig, wie die Ehrlich Brothers Frauen zersägen oder Autos schweben lassen. Es soll nur so aussehen. Es ist nur eine Täuschung.

Bin ich neidisch, dass sie damit durchkommt? Nicht wirklich. Denn das ist zwar ordentlicher Illusionismus. Aber ganz miese Politik.