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Die Stunde der Maulhelden

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Die Stunde der Maulhelden

Nach einer Bluttat wie in Aschaffenburg kann man nur fassungslos sein, entsetzt, traurig. Ich kann sogar verstehen, wenn man wütend ist. Aber ich kann nicht verstehen, warum so viele Leute jetzt wieder ganz schnell die ganz steilen Thesen von sich geben. Thesen, die uns alle für dumm verkaufen. Und damit auch die Opfer einer Horror-Tat wie in Aschaffenburg.

Es ist tragisch, dass in Aschaffenburg zwei unschuldige Menschen sterben mussten, sogar ein kleines Kind. Und es ist ein Skandal, dass diese Menschen wohl nicht hätten sterben müssen, wenn unser Staat seinen Aufgaben nachgekommen wäre.

Und nein, damit meine ich eben nicht nur die Tatsache, dass der mutmaßliche Täter von Aschaffenburg ausreisepflichtig war, dass er gar nicht mehr im Land hätte sein sollen, als er durchdrehte und zum Messer griff. Denn es wäre genauso entsetzlich und grausam, wenn zwei Menschen durch einen Mann getötet worden wären, der nicht ausreisepflichtig war.

Mir geht es um die Tatsache, dass dieser Mann als psychisch auffällig, als reihenweise straffällig bekannt war. So wie auch schon der Täter von Magdeburg, so wie auch so viel andere Täter zuvor. Man wusste um das Risiko – aber es geschah nichts, um für Sicherheit zu sorgen.

Und es sind genau die Maulhelden von heute, die großen Abschieber und Grenzenschließer, die so viele, lange Jahre so fleißig weggesehen haben. Geflüchtete? Da reichen die billigsten Provisorien, weil die kommen ja bestimmt nur ein paar Wochen zu uns. Keine überbelegten Container? Genug Personal? Mehr psychologische Betreuung? Mehr Sozialarbeit? Nein bloß nicht, sonst sehen wir noch wie ein Einwanderungsland aus.

Ich ertrage es nicht, wenn die Maulhelden jetzt wieder auf Dummenfang gehen: „Hätten wir keine Migration, hätten wir kein Aschaffenburg“. Ja, und auch keine Müllabfuhr und keinen Paketdienst, keine Pflegeheime…

Hätten die Maulhelden vor ein oder zwei Jahrzehnten eingestanden, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und das auch sein muss, dann könnten wird die Migration heute regeln und genau hinsehen und Gefahren begegnen. Dann hätten wir den Paketdienst und die Pflegerinnen. Und der Verrückte von Aschaffenburg wäre in Therapie oder abgeschoben und zwei unschuldige Menschen würden jetzt noch leben. Wir haben alle Gesetze und Regelungen, die es dazu braucht. Wir haben nur keine Mittel, um sie umzusetzen. Uns hilft nicht Abschottung, sondern nur Prävention. Und dafür braucht es Geld und kein Geschrei.

Einmal Brandenburger zum Mitnehmen?

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Einmal Brandenburger zum Mitnehmen?

Ich bin weder parteilos noch unparteiisch, und womöglich sehe ich viele Dinge durch die SPD-Brille. Aber ist schon mal jemandem aufgefallen, wie inkonsequent die öffentliche Meinung sein kann? In Brandenburg hat sich die SPD als stärkste Kraft behauptet – und sofort sind sich alle einig, dass das ein rein landespolitisches Phänomen ist, das hängt an Dietmar Woidke, an Wechselwählern, wie es sie so nur in Brandenburg gibt. Mit dem Bund hat das wenig bis gar nichts zu tun, heißt es.

Wisst Ihr was? Das stimmt auch. Eine Landtagswahl ist eine Landtagswahl und eine Bundestagswahl eine Bundestagswahl. Aber noch in der vergangenen Woche las ich Schlagzeilen konservativerer Zeitungen, in denen gefragt wurde, ob der Bundeskanzler „die Brandenburg-Wahl überlebt“. Und ganz sicher: Hätte die SPD dort ein ähnliches Debakel erlebt wie in Thüringen oder Sachsen, hätten jetzt alle darüber geredet, welche Auswirkungen das in Berlin haben muss. Weiterlesen

Schneller, schärfer, schlechter

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Schneller, schärfer, schlechter

Um uns von Entsetzen und Grauen nicht völlig lähmen zu lassen, retten wir Menschen uns in Rituale. Das ist auch nach der furchtbaren Bluttat von Solingen wieder so. Die Leute kommen zum Tatort und legen Blumen ab und Briefe, sie treffen sich zu Schweigeminuten, zu Trauermärschen. Man will spüren, dass man wenigstens nicht allein dasteht mit der Trauer, der Fassungslosigkeit, auch dem Zorn über so viel sinnlosen Tod.

Diese Rituale helfen, sie sind wichtig, und es ist schlimm genug, dass sie einem schon wie Routinen vorkommen. Umso mehr könnte ich auf einige politische Routinen verzichten, die leider gar nichts helfen. Weiterlesen

Mindestens gut

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Mindestens gut

Als es das Internet noch nicht gab, erkannten wir das Sommerloch an merkwürdigen Nachrichten: Krokodile in Baggerseen, Poltergeister in Zahnarztpraxen. Unfug.

Für das Sommerloch gab und gibt es auch politische Spezialitäten. Sommertouren, Sommerinterviews – das machen alle, ich auch. Aber es gibt auch regelrechte Sommerlochparteien, die in den Ferienwochen sozusagen ihre Krokodile im Baggersee schwimmen lassen. In Baden-Württemberg ist hier vor allem die FDP dabei: Keine Woche ohne krasse Forderungen und laute Ansagen. Weg mit Wölfen und Wärmepumpen, Klimaklebern und Bürgergeld… das reicht selten für eine ernsthafte Forderung, aber immer für eine kleine Schlagzeile. Und falls ich jetzt etwas säuerlich klinge, ist es, weil die Strategie der FDP wirkt. Nur nicht für die FDP, sondern gegen das Vertrauen in Politik allgemein. Wer Demokratie als Zirkus verunglimpfen will, findet hier seine Bestätigung. Muss das sein?

Ich will das Sommerloch heute auch nutzen. Aber eben nicht mit möglichst krassen Forderungen, sondern mit dem runden Geburtstag einer politischen Leistung. Also nicht fordern, sondern liefern, nicht wollen, sondern können, nicht Worte, sondern Taten. SPD, eben.

Vor ziemlich genau zehn Jahren wurde in Deutschland der gesetzliche Mindestlohn eingeführt, für den die SPD zäh und geduldig gegen massivste Widerstände gekämpft hatte. Zehn Jahre Mindestlohn, das ist noch gar nicht so lange und doch scheint es wie eine Ewigkeit: Noch bis 2014 haben viele Leute in unserem Land für fünf Euro in der Stunde gearbeitet. Menschen, die selbst nach einem Zehnstundentag mit nur 50 Euro nachhause kamen! Wie gesagt: Schon zehn Jahre her, aber auch erst zehn Jahre. Und heute zum Glück bereits unvorstellbar.

Der Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro brachte eine bedeutende Lohnerhöhung für über vier Millionen Menschen in Deutschland. Als der Mindestlohn dann vor zwei Jahren (und nach deutlicher Inflation) auf zwölf Euro angehoben wurde, profitierten davon fast sechs Millionen Menschen davon. Besonders viele in den Bundesländern im Osten, übrigens. Der Mindestlohn schaffte und schafft auch hier deutlich mehr Gerechtigkeit. Er verhindert, dass Menschen trotz Arbeit in Armut geraten. Er macht Schluss mit Ausbeutung und Niedrigstlöhnen, die nichts anderes sind als krasse Respektlosigkeit für Menschen und ihre Arbeit.

Und der Mindestlohn ist keine Wohlfahrt, er rechnet sich viel mehr, als es marktliberale Dickschädel einsehen wollen. Der Mindestlohn stärkt die Einnahmen der Rentenversicherung. Er entlastet die Staatskasse, weil wir seltener Niedrigstlöhne aufstocken müssen. Ganz nebenbei bremste der Mindestlohn die Abwanderung von Arbeitskräften und fördert die Entwicklung produktiverer, besserer Arbeitsplätze. Der Mindestlohn nützt uns allen. Auch denen, die viel mehr verdienen. Man braucht kein Diplom in Volkswirtschaft, um das zu verstehen.

DAS ist Politik der SPD, das hilft uns allen, seit zehn Jahren. Das ist mindestens gut. Und das wollte ich mal eben erwähnt haben. Jetzt zurück zu den Krokodilen im Baggersee und den Sommerlochparteien. Erholt Euch gut und bis bald!