Gymnasien

Nachhaltig nichts gelernt

Stochblog

Nachhaltig nichts gelernt

Man muss kein Bildungspolitik-Nerd sein, um stutzig zu werden: Das Land Baden-Württemberg will hunderten frisch ausgebildeter junger Lehrerinnen und Lehrer für unsere Gymnasien keine Stellen anbieten. Man braucht sie gerade nicht, heißt es. Man braucht keine Lehrkräfte? Wie bitte?

Die Regierung aus Grünen und CDU verweist auf das neunjährige Gymnasium: Das haben sich Eltern und Schüler erstritten, gegen den Willen der aktuellen Landesregierung. Denn G9 klappt zwar besser als G8, braucht aber mehr Lehrkräfte. Und die, so hieß es dann aus dem Kultusministerium, seien erstens teuer und zweitens gar nicht da. Weil Lehrkräfte fehlen.

Nun, G9 kommt. Aber natürlich nicht auf einmal, sondern nach und nach. Also machen Schülerinnen und Schüler noch ein paar Jahre nach acht Jahren das Abitur, während die unteren Klassen in ein Gymnasium mit neun Jahren starten. Während dieser Zeit haben wir also obere Klassen, in denen noch ein neuntes Schuljahr fehlt, haben aber untere Klassen, in denen die Zahl der Wochenstunden sinkt, weil man ja ein Jahr länger Zeit hat. Ein paar Jahre langt gibt es also im Schnitt ein paar Stunden weniger zu unterrichten.

Genau diesen kleinen Abschnitt nutzt Grün-Schwarz jetzt, um hunderte junger Lehrkräfte in die Wüste zu schicken. Sie könnten ja an andere Schulen gehen, heißt es, so als ob Grundschullehrkräfte nicht eine deutlich andere Ausbildung hätten und an Grundschulen jeder Bewerber eingestellt würde. Im Gegenteil: Es gibt momentan auch an den anderen Schularten wenig Stellen, da würden die abgewiesenen Gymnasiallehrkräfte also noch für zusätzliche Konkurrenz sorgen.

Es heißt auch vom Land, die neuen Lehrer könnten ja in ein paar Jahren noch mal wiederkommen – so als ob sich junge Leute mal eben einfrieren könnten, bis man sie braucht.

Wie abgrundtief dämlich das ist, kann ich kaum in Worte fassen. Denn in Baden-Württemberg wurden jetzt nicht nur jahrelang Lehrkräfte händeringend gesucht, wurde nicht nur sogar mit einfältigen Plakatkampagnen für den Lehrberuf geworben – und Baden-Württemberg fehlen Lehrkräfte, und zwar überall. Jede zehnte Schulstunde fällt aus wegen Lehrkräftemangel, für erkrankte Lehrerinnen und Lehrer gibt es keine Vertretungen. Individuelle Förderung, mehr Fürsorge an Brennpunktschulen, Demokratie stärken – immer heißt es, es fehlten leider die Lehrkräfte. Und nun setzt man die Lehrkräfte, die es hat, auf die Straße?

Als ich Kultusminister wurde, hatte die Regierung noch vor, im ganzen Land über 12 000 Lehrerstellen abzubauen. Es würden ja weniger Schüler, hieß es. Diese Prognosen waren schon damals veraltet, die Zahl der Kinder stieg, die Kommunen meldeten Mangel an Kita-Plätzen. Dass diese Kinder später wohl auf eine Schule gehen würden – man hatte es übersehen. Mit viel Geduld und Spucke konnte ich die Streichpläne abwenden. Mehr Lehrkräfte wurden es aber nicht, obwohl wir dann schnell merkten, dass wir viel mehr gebraucht hätten.

Nun hält sich Grün-Schwarz wieder mal ganz fest die Augen zu: Das G9 läuft an, es wird bald mehr Lehrkräfte brauchen. Der Bedarf steigt sowieso, und der Ganztagsbetrieb kommt auch. Dazu rollt eine Welle an Pensionierungen auf uns zu. Uns werden bald noch viel, viel mehr Lehrkräfte fehlen. Und was macht das Land heute? Junge Lehrer wegschicken. Die grün-schwarze Landesregierung redet gerne von Nachhaltigkeit. Verstanden hat sie sie nicht. Und sie lernt auch nichts dazu.

Die SPD wird dafür kämpfen, dass alle gut qualifizierten jungen Lehrkräfte auch eine ordentliche Stelle bekommen. Weil sie das verdient haben, aber vor allem, weil wir sie alle brauchen. Heute schon und morgen schon zweimal.

Die SPD Baden-Württemberg hat ein Portal für angehende Lehrkräfte eingerichtet, die zum kommenden Schuljahr nicht in den Schuldienst übernommen werden.

https://www.spd-bw.de/jede-lehrkraft-ins-klassenzimmer

Hier können alle betroffenen Referendarinnen und Referendare ihre Fälle in anonymisierter Form schildern – damit wir verstehen, wie man uns austricksen will. Und damit wir besser dagegen vorgehen können.