Mit ihrer dreitägigen Klausurtagung in Mannheim (10. bis 12. Januar) ist die SPD-Landtagsfraktion offiziell ins neue Jahr gestartet. Für die Abgeordneten und ihr Beratungsteam ging es dabei darum, wie Baden-Württemberg auf die aktuellen Herausforderungen reagieren kann und muss. „Es geht nicht nur darum, dass unser Land die aktuellen Krisen meistert“, sagt Fraktionschef Andreas Stoch: „Wir müssen auch beim Wandel hin zu einer klimaneutralen und zukunftsfesten Wirtschaft die Kurve kriegen, einen gewaltigen Investitionsstau überwinden und den Stillstand im Land beenden. Wer wandeln will, muss handeln!“
Gerade in der Versorgungskrise: Energiewende beschleunigen, Klima schützen
Die SPD fordert mehr Freiflächen-Photovoltaik durch aktive Bereitstellung geeigneter Flächen, so soll die Landesregierung mindestens 1,5 Prozent für die PV-Nutzung ausweisen und viel mehr Anlagen auf Landesgebäuden und Grundstücken des Landes errichten (bisher keine zwei Prozent). Die Förderprogramme für netzdienliche PV-Anlagen mit Batteriespeicher und kleine Wärmenetze sind um mindestens 40 Millionen Euro bis Ende 2024 zu erhöhen. Ein Landeskompetenzzentrum für klimarelevante Handwerksberufe soll dem Fachkräftemangel begegnen.
Für Mini-Solaranlagen, Kleinwindkraftanlagen und Agri-Photovoltaik-Anlagen fordert die SPD neue Förderprogramme von rund zehn Millionen Euro jährlich. Die SPD fordert auch eine weitere Ausbauoffensive für E-Ladesäulen. Zudem muss das Land Wärmenetze und Stromerzeugung auf Basis von Geothermie offensiv unterstützen. Die Initiative des Bundes zur Pflege und Wiedervernässung von Moorböden muss das Land zügig voranbringen.
Zudem müssen alle Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Nutzung der Erneuerbaren erleichtert und auf maximal ein Jahr gestrafft werden. „Noch schneller bauen und anschließen“ ist ein Motto, das der SPD auch im Austausch mit dem EnBW-Vorstandsvorsitzenden Andreas Schell bestätigt wurde.
Andreas Stoch: „Die vergangenen Monate haben gezeigt, wie dringlich die Energiewende nicht nur aus klimapolitischen Gründen ist. Wir haben aber auch erlebt, wie durchschlagend der Staat handeln kann. Olaf Scholz hat sich als Kanzler der Energiesicherheit bewährt. Umso mehr erkennen wir aber den schleppenden Ausbau der Erneuerbaren im Südwesten. Das ist ein Riesenproblem für unser Land.“
Transformationsfonds: Wandel gestalten
Zur Unterstützung von Industrie und Wirtschaft muss das Land einen Transformationsfonds in Höhe von 100 Millionen Euro bereitstellen. Andreas Stoch: „In einer Krise darf es nicht heißen, dass nicht investiert werden kann. Es heißt, dass investiert werden muss! Andere Bundesländer wie das kleine Saarland stellen selbst weitreichende Mittel zur Verfügung, um Investitionen von Unternehmen anzureizen beziehungsweise zu unterstützen und zu lenken.“
Fachkräftemangel: Qualifizierte Zuwanderung ermöglichen
Vom seit Januar geltenden Chancen-Aufenthaltsgesetz profitieren in Baden-Württemberg bis zu 25.000 Menschen. Geduldete, die seit mindestens fünf Jahren hierzulande leben, sich zur demokratischen Grundordnung bekennen und nicht straffällig geworden sind, haben dann 18 Monate Zeit, die Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen. Damit die Neuregelung seine Wirkung im Land voll entfalten kann, muss die Landesregierung Verwaltungsvorschriften erlassen und eine gezielte Informationskampagne auf den Weg bringen. Auch braucht es genügend Ressourcen für die Ausländerbehörden. Zudem hält die SPD ein neues Landesportal zur Anwerbung von Fach- und Arbeitskräften für nötig. Zu diesen Positionen hat sich die Fraktion auf ihrer Klausur auch mit dem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil beraten.
Andreas Stoch: „Ein Großteil der Kitas im Land kann aufgrund dramatischer Personalengpässe die Aufsichtspflicht nicht mehr durchgehend gewährleisten. Bürgerämter, Bäder und Bildungsstätten reduzieren ihre Öffnungszeiten. Und viele Restaurants und Kneipen müssen jetzt ganz schließen. Die Pandemie haben sie überlebt, aber den Mangel an Fachkräften nicht mehr. Wir müssen jetzt alle Möglichkeiten zur Fachkräftegewinnung ergreifen. Dazu gehört eine Fachkräfteinitiative, dazu gehört eine optimale Ausbildung, dazu gehört aber auch die qualifizierte Zuwanderung.“
Land muss handeln, damit Kommunen handlungsfähig bleiben
Die Kommunen in Baden-Württemberg sind in Sorge, dass sie von immer mehr Aufgaben und Rechtsansprüchen überfordert werden. Umso mehr, da auch die Kommunen vom Fachkräftemangel getroffen werden. Ein handlungsfähiger Staat braucht aber zwingend handlungsfähige Kommunen. Darum müssen die Strukturen überarbeitet und zukunftsfest gemacht werden. Dazu hat sich die SPD-Fraktion mit dem Präsidenten des Städtetags, dem Mannheimer Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, ausgetauscht.
Die SPD fordert darum eine grundlegende Aufgabenkritik, bei der auch geprüft wird, wie gut das Konnexitätsprinzip („wer bestellt, bezahlt“) funktioniert. Eine Taskforce für die Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen soll Lösungen für die Kommunen erarbeiten. Um den Kommunen für immer mehr Zukunftsaufgaben eine auskömmliche Finanzierung zu sichern, fordert die SPD eine Absenkung des Vorwegabzugs aus dem kommunalen Finanzausgleich. Gleichzeitig muss der Bürokratieabbau konkret vorangetrieben werden, indem die Landesregierung bestehende Verordnungen und Regelungen verpflichtend und fortwährend auf ihre Notwendigkeit prüft.
Die SPD fordert für die Kommunen zudem eine stärkere Einbindung in Entscheidungsprozesse. Dies gilt insbesondere zur Frage der „Machbarkeit“ beispielsweise zur Umsetzung und Finanzierung von Rechtsansprüchen oder neu hinzukommender Aufgaben.
Andreas Stoch: „Täglich erleben Bürgerinnen und Bürger, wo staatliches Handeln nicht mehr reibungslos funktioniert, und das auch auf kommunaler Ebene. Das müssen wir ändern, und zwar schnell und gründlich. Gerade bei einem Übermaß an Bürokratie braucht es kein Lamento, sondern Lösungen. Wir brauchen vereinfachte Prozesse, wir brauchen Hilfe für die Kommunen. Und dazu brauchen wir eine Landesregierung, die ihre Spielräume nutzt und die Verantwortung zur bürokratischen Entrümpelung nicht nur immer auf Bund und EU abschiebt“.
Wohnungsnot: Nicht Ministerien schaffen, sondern Wohnraum
Baden-Württemberg gilt beim Wohnen inzwischen als eines der teuersten Flächenländer Europas, mehr als die Hälfte der bundesweit teuersten Mietstädte liegt im Südwesten. Die Wohnungsnot schadet dem Land und seiner Zukunft, sie schreckt auch dringend benötigte Fachkräfte ab, nach Baden-Württemberg zu ziehen. Die grün-schwarze Landesregierung reagiert nur scheinbar auf diese dramatische Lage. Das eigens aus der Taufe gehobene Ministerium existiert zwar, es agiert aber nicht.
Die SPD fordert das Land auf, der Wohnungsnot konkret und mit den gebotenen Mitteln zu begegnen. Um Flächen zu schonen, muss es die Innenentwicklung priorisieren und fördern, indem Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. Auch muss Baden-Württemberg die Konversion erheblich vorantreiben, um Flächen zu sparen. Ein weiterer Schritt ist, Zweckentfremdung und Leerstand landesweit systematisch und nachhaltig zu bekämpfen. Dazu gehören auch Programme, die einen Generationenwechsel in Bestandsgebäuden gerade über die Familiengrenzen hinaus fördern, nach dem Motto „Jung kauft Alt“. Auch serielles Bauen spielt eine Rolle, ebenso ein Umdenken beim klimaschonenden Bauen: Eine Betrachtung des kompletten CO-2-Fußabdrucks (Betrieb UND Bau) zeigt, dass einfacheres und günstigeres Bauen oft bessere Bilanzen vorweist. Nicht zuletzt zu diesem Punkt hat sich die Fraktion auf ihrer Klausur auch mit Bundesbauministerin Klara Geywitz ausgetauscht.
Baden-Württemberg muss den sozialen Wohnungsbau massiv vorantreiben und selbst mitgestalten. Das Land muss auch selbst bauen. Eine neue Wohngemeinnützigkeit ist eine Möglichkeit, Sozialwohnungen dauerhaft in ihrer Bindung und damit bezahlbar zu halten. Das Land könnte die selbst gebauten Wohnungen in diesen Status der Gemeinnützigkeit überführen.
Andreas Stoch: „Grün-Schwarz muss aufhören, die Verantwortung für den Wohnbau an die Kommunen abzuschieben. Wohnungsbau ist Daseinsvorsorge und damit auch Sache des Landes. Das Land muss hier also wieder ein Player werden, wie es früher selbstverständlich war. Wer eine der drängendsten sozialen Fragen unserer Zeit beantworten will, muss mehr tun, als Förderprogramme für die Privatwirtschaft aufzusetzen. Dass der Markt die Wohnungsnot nicht löst, ist mehr als bewiesen.“
Bildungskrise: Bessere Grundschulen für bessere Basiskompetenzen
Die immer schlechteren Ergebnisse bei Bildungsstudien sind doppelt alarmierend, denn zu schwache Lernstände in der Grundschule bedeuten auch einen schlechten Start in die gesamte Bildungskarriere. Gerade die Bildung in der Grundschule muss darum deutlich gestärkt werden.
Ein von der Landtagsfraktion verabschiedeter Plan sieht unter anderem einen vorschulischen Sprachtest im Alter von 4,5 Jahren vor, der bei erkannten Mängeln eine verpflichtende Sprachförderung bedeutet. Gestärkt werden müssen auch die Basiskompetenzen durch zusätzliche Stunden in Deutsch und Mathematik, zusätzliche Poolstunden sowie mehr Lesezeit im Unterricht. Bei Leistungsdefiziten muss verpflichtender Nachhilfeunterricht zum Standard werden, ebenso fordert die SPD eine Stärkung des herkunftssprachlichen Unterrichts.
Angesichts der Bedeutung der Grundschulen fordert die SPD eine Besoldung von Grundschullehrkräften nach A13, mehr Lehrkräfte, multiprofessionelle Teams sowie eine verpflichtende Zusammenarbeit von Kitas und Grundschulen. Zusätzlich müssen die Schulleitungen deutlich gestärkt werden.
Andreas Stoch: „Unsere Forderungen umfassen mittelfristige Ziele ebenso wie Sofortmaßnahmen, die man sofort umsetzen kann und sofort umsetzen muss. Uns ist klar, dass hinter diesen Punkten eine erhebliche Menge Geld steckt, doch es muss endlich klarwerden, dass uns die Bildung gerade in der Grundschule dieses Geld wert sein muss. Wir werden auf Basis dieser Positionen in den kommenden Monaten konkrete Hilfen und Unterstützungen ausarbeiten, die jetzt ohne jede Verzögerung nötig wären. Wir können nicht jahrelang auf weitere Schulversuche warten, wie es die Landesregierung vorhat.“
Rheintalbahn: SPD sieht Land auch bei Mehrkosten in der Pflicht
Am Rande der Mannheimer Klausur hat die SPD-Landtagsfraktion auch eine klare Position zum Ausbau der Rheintalbahn zwischen Mannheim und Karlsruhe verabschiedet: Den dort geforderten, höheren Aufwand zum Schutz von Anliegern und Umwelt muss das Land aus Sicht der SPD genauso finanziell unterstützen, wie es beim Ausbau des Abschnitts Basel-Karlsruhe der Fall war. Die SPD-Fraktion fordert das Land auf, sich an einen fraktionsübergreifenden Beschluss des Landtags aus dem Jahr 2011 zu halten, laut dem das Land sich mit bis zu 50 Prozent an Maßnahmen beteiligt, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen. Das entsprechende Positionspapier wurde direkt an der Rheintalbahn an Vertreter*innen des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein (RVMO) und Anliegerkommunen überreicht.
Andreas Stoch: „Es kann nicht sein, dass dieser Abschnitt der Rheintalbahn schlechter gestellt wird als der Abschnitt in Südbaden. Und es kann nicht sein, dass das Land angesichts der nötigen Verkehrswende jetzt weniger in die Zukunft der Bahn investieren will als früher. Eine Kostenzusage kann ein Schlüssel dazu sein, die unendliche Geschichte des Rheintalbahn-Ausbaus endlich näher an ein Happy-End zu bringen.“
Klinikfusion Mannheim/Heidelberg: Notwendiger Schritt für Spitzenmedizin
Seit Jahren existiert das Zukunftskonzept für eine „Heidelberg-Mannheim Health and Life Science Alliance“: Die Fusion der beiden Universitätskliniken und die Zusammenführung der beiden Medizinischen Fakultäten der Universität Heidelberg kann die größte und leistungsfähigste Universitätsmedizin in Deutschland und Europa schaffen. Doch die Landesregierung ist immer noch nicht über den Status von Anschubfinanzierungen, Konzeptionserarbeitungen sowie des Gutachten-Einholens hinausgekommen und blockiert damit das Kernprojekt Klinikfusion.
Die SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg setzt sich für eine wirkliche Weiterentwicklung des Innovationscampus „Health and Life Science Alliance“ ein. Die Landesregierung muss jetzt endliche eine Grundsatzentscheidung für die Fusion der beiden Kliniken fassen. Sie muss jetzt den Weg für den Neubau „Neue Mitte“ in Mannheim freimachen. Schließlich muss die Landesregierung den Beschäftigten des Universitätsklinikums Mannheim die Überführung in das Tarifvertragssystem der Universitätskliniken Baden-Württemberg zusichern.
Andreas Stoch: „Bei dieser Fusion geht es nicht ums Sparen, sondern darum, Spitzenmedizin zu schaffen. Eins plus eins heißt hier nicht zwei, sondern viel mehr. Jetzt nicht in das Zukunftsthema Medizin zu investieren ist falsch. Und nach Jahren des Zauderns und Wegduckens sollte das Land endlich einsehen, dass es Geld in die Hand nehmen muss.“