Stochblog

Die Unfähigkeit zu trauern

Mehr als eine Woche ist seit dem barbarischen Angriff von Terroristen auf Israel vergangen. Ich habe in dieser Woche schon einiges zu den schrecklichen Ereignissen gesagt, es waren die Dinge, die uns am wichtigsten waren: Wir verurteilen diese Bluttaten, nichts kann rechtfertigen, wahllos Menschen abzuschlachten. Wir trauern mit den Menschen im Nahen Osten und wir stehen an der Seite Israels, das von den Terroristen der Hamas angegriffen wurde.

Gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von Grünen, CDU, SPD und FDP habe ich im Landtag gefordert, den Menschen in Israel nicht nur Solidarität zu erklären, sondern diese Solidarität auch zu leisten. Und wir haben klargemacht, dass es nicht sein kann, wenn der mörderische Terror der Hamas in unserem Land unterstützt oder gar öffentlich bejubelt wird. Wir wollen das unterbinden und wir werden das unterbinden. Das sind wir den Opfern schuldig.

Der blutige Terror und die Spirale der Gewalt, die er auslöste, machen mich weiter fassungslos. Fassungslos macht mich aber auch, wie manche in unserem Land reagieren. Ich rede dabei nicht nur von den widerlichen Pro-Hamas-Demos islamistischer Maulhelden. Ich rede nicht von den Verblendeten, die israelische Flaggen von den Masten reißen, an denen wir sie zum Zeichen des Mitgefühls gehisst hatten. Ich rede auch von diesen merkwürdig verklebten Reaktionen in unserem Land. Von dieser Unfähigkeit zu trauern.

Gleich ob Islamisten Flugzeuge in das Word Trade Center oder Lastwagen in Menschenmengen steuerten, gleich ob ein Neonazi in Norwegen Dutzende Jugendliche ermordete – auf solch unmenschlichen Terror haben wir immer mit Schrecken und Abscheu reagiert. Und es war immer klar: Kein Motiv der Welt rechtfertigt dieses Morden. Keines!

Wir haben nicht darüber nachgedacht, ob die Attentäter des 11. September eine schwere Kindheit hatten oder US-Firmen Drittweltsaaten ausbeuten könnten. Wir hatten erst einmal Mitgefühl mit den Opfern. Mit den Menschen, die so sinnlos ums Leben kamen.

Und umso mehr macht mich fassungslos, wie schwer sich manche Leute jetzt mit diesem Mitgefühl tun. Wie die schweigen, die sonst bei jedem Thema auf jedem Kanal etwas zu sagen haben. Und wie oft Menschen sofort und über alle Toten hinweg über „die Ursachen“ oder „die Mitschuld Israels“ reden wollen und ganz, ganz dümmliche Vereinfachungen anstellen. Gibt es Kritik an Israels Regierung? Unbedingt, seit Monaten gingen Hunderttausende in Israel allein wegen der Justizreform auf die Straße. Genau diese Leute feierten nun auf dem Musikfestival nahe des Gaza-Streifens, genau diese Leute wurden dort abgeschlachtet. Wer kann da Rechtfertigungen finden, ohne sich zu schämen?

Wer alle Menschen in Israel für militante Siedler hält, hat genauso wenig begriffen wie die, die uns jetzt erzählen, das „ganze palästinensische Volk“ stünde hinter dem Terror.

Auf Arabisch begrüßt man sich mit „Salam“. Auf Hebräisch mit „Shalom“.

Beides bedeutet „Frieden“.

Im Nahen Osten müssen wir den Frieden suchen. Hier in unserem Land müssen wir ihn erhalten.

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