Stochblog

Staunen, statt zu steuern

In sieben Wochen ist übrigens Weihnachten, und der Rest der Geschichte wurde schon x-mal erzählt: Alle Jahre wieder werden viele kurz vor den Feiertagen in Hektik geraten, obwohl man das rechtzeitig hätte verhindern können: Kalender kann man in jedem Handy aufrufen. Und da steht drin, wann der Dezember kommt. Ganz einfach? Offenbar nicht.

Seit Monaten schlägt die Bauwirtschaft Alarm: Das Geschäft bricht ein, die Auftragsbücher sind leer, es stehen harte Zeiten bevor. Nun die Nachricht, dass die Wohnungsnot in Baden-Württemberg inzwischen so gravierend ist, dass immer mehr Leute wohnungslos sind und tatsächlich auf der Straße leben müssen. Sie haben sich „arm gewohnt“ bei den hohen Mieten.

Solche Nachrichten machen die Runde, solche Nachrichten werden Schlagzeilen. Und dann staunt die grün-schwarze Landesregierung wieder. Wer konnte das ahnen? Was soll man jetzt machen?

Ich kann es nicht mehr hören, ehrlich. Seit Jahren warnen wir als SPD vor den Folgen der immensen Wohnungsnot in diesem Land, immer und immer wieder. Und schon Ende vorigen Jahres habe ich im Landtag erklärt, dass eine Konjunkturdelle in der Bauwirtschaft absehbar ist. Dass das Land eine Investitionskampagne fahren könnte. Für mehr Wohnbau, auch für all die nötigen Sanierungen an Schulen, für mehr Solardächer auf den Gebäuden des Landes, damit die blamable Quote (aktuell drei Prozent) endlich steigt. Auch dafür, Firmen zu helfen und Arbeitsplätze zu sichern.

Ganz einfach? Offenbar nicht. Denn nichts ist passiert. Die grün-schwarze Landesregierung hat die Hände im Schoß, und wie seit Jahren hat sie lamentiert, es gäbe gar kein Geld, um zu handeln. Obwohl wir seit Jahren erleben, dass es natürlich Geld gibt. Viel Geld sogar.

Die grün-schwarze Masche ist simpel, aber populär. „Wir sind wie Ihr“, ruft man den Leuten im Land zu: „Wir staunen über das, was geschieht, wie Ihr. Wir schütteln wie Ihr den Kopf. Und wie Ihr können wir leider gar nichts machen.“ Das klingt gut genug, um wieder und wieder verbreitet zu werden, auch in vielen Medien. Gleichwohl ist es falsch.

Eine Landesregierung ist nicht wie der „kleine Mann auf der Straße“ (ein ohnehin dummes Klischee). Sie ist ganz und gar anders: Eine Landesregierung verdient gerade in dieser Krise nicht weniger, sondern mehr Geld. Viel mehr, wenn es um die Steuern und Abgaben auf die gestiegenen Preise und Energiekosten geht. Und eine Landesregierung ist nicht dazu da, über die Entwicklung zu staunen. Sie soll die Entwicklung steuern.

Und sie kann steuern. Ob Wohnungsnot oder Baukonjunktur, ob Transformation der Wirtschaft oder Lehrkräftemangel, ob Energiewende und, und, und… man hat das alles kommen sehen, so wie man Weihnachten im Kalender kommen sieht. Und man kann rechtzeitig handeln, damit man nicht in Nöte kommt. Nöte, wie sie nach sieben Jahren Grün-Schwarz in Baden-Württemberg immer deutlicher werden.

Ehrlich: Ich mag es sogar, wenn Leute jedes Jahr von Weihnachten überrascht werden und dann rotieren. Die sind etwas verspult, aber das kann ja sehr sympathisch sein.

Ich mag nur nicht von ihnen regiert werden.

 

X