Bundesregierung

Wie man sich eine Staatskrise bastelt

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Wie man sich eine Staatskrise bastelt

Natürlich war ich auch überrascht: Friedrich Merz verfehlte im ersten Wahlgang die nötigen Stimmen und wurde nicht sofort zum Bundeskanzler. Warum, werden wir wahrscheinlich nie erfahren. CDU/CSU und SPD haben zwölf Stimmen mehr als Merz brauchte. Dachte da jemand, ein paar Stimmen weniger schadeten nicht? Nur so ein Dämpfer? Kann sein, denn nach dem Schock im ersten Wahlgang kam es im zweiten Wahlgang genau auf diese Weise: 325 Stimmen, nicht ganz 100 Prozent bei Union und SPD aber komfortabel mehr als nötig. Friedrich Merz ist Kanzler.

Nein, schön und elegant war das nicht und auch kein Traumstart in die Kanzlerschaft. Aber liebe Leute, es war auch keine Staatskrise und kein Chaos und keine Anarchie und was ich sonst noch alles an Blödsinn lesen musste seit dem 6. Mai. Es war eine Premiere in der Geschichte der Bundesrepublik (noch nie hat eine Kanzlerin oder ein Kanzler einen zweiten Wahlgang gebraucht), aber schon am Dienstag haben wir alle gelernt: Auch für diesen Fall ist vorgesorgt. Im Grundgesetz, in der Geschäftsordnung des Bundestags. Ja es gab Verwirrung über die Frist bis zu einem zweiten Wahlgang, weil man das eben in über 75 Jahren noch nie brauchte. Aber dann stellte sich heraus: Alles geregelt, alles vorgesehen.

Ich bin von Haus aus Rechtsanwalt und habe gerne Recht. Mitte Februar habe ich in diesem Blog erklärt, dass Olaf Scholz auch im März und im April noch Bundeskanzler sein wird – egal, wie die Wahl ausgeht. Weil Deutschland nämlich immer eine Kanzlerin oder einen Kanzler hat, im Zweifelsfall einen geschäftsführenden. Angela Merkel hat das einst bald ein halbes Jahr lang gemacht. Auch dafür ist vorgesorgt in unserem Land. Und vor ein paar Wochen erst habe ich hier geschrieben, wie krachsauer es mich macht, wenn selbst klassische Medien den Eindruck erwecken, Deutschland habe nach einer Wahl „keine Regierung“.

Wir haben viele Dinge in der Politik erlebt, die wir in der Bundesrepublik lange Jahrzehnte nicht erlebt haben: Statt drei oder nur zwei Parteien in einem Parlament plötzlich vier oder fünf oder sechs, statt der alten Parteigiganten mit 40 oder noch mehr Prozent plötzlich ein breites Mittelfeld. Wir haben die erste Dreiparteien-Koalition für eine Bundesregierung erlebt und wie die kleinste Partnerin sie in einem Akt der Profilneurose sprengte. Wir haben vorgezogene Neuwahlen erlebt.

Wir haben viel Aufregung erlebt. Aber eben kein Chaos. Wir haben bei der Ampel eine Regierungskrise erlebt, aber keine Staatskrise. Denn die schlauen Menschen, die vor bald 80 Jahren unsere Verfassung entwickelt haben, hielten all das für möglich. Mehr noch, sie hielten das für normal in einer Demokratie.

Deutschland war lange Jahre dafür bekannt, dass in seiner Bundespolitik sehr wenige Parteien mit riesigen Anteilen operieren. Dass Kanzlerinnen und Kanzler zehn oder 15 oder noch mehr Jahre im Amt bleiben. Dafür war Deutschland berühmt – weil es eben so selten war. Mehrere kleinere Parteien im Parlament? Koalitionen, die sich zerstreiten? Vorgezogene Neuwahlen? Regierungschefs, die nicht 16 Jahre lang wiedergewählt werden? In anderen Ländern ist das seit jeher normal, und ich meine jetzt nicht Italien, sondern auch Frankreich oder die Niederlande, Dänemark oder Spanien.

Diese Länder funktionieren alle, zum Teil haben sie ihre Hausaufgaben sogar besser gemacht. Und bei aller Liebe zu unserer einheimische Sehnsucht nach Ruhe und Stabilität: Ruhe und Stabilität alleine lösen keine Probleme. Wir haben in Baden-Württemberg eine Landesregierung, die sich pausenlos selbst dafür rühmt, dass sie nicht streitet. Das stimmt sogar, aber Grüne und CDU streiten deswegen nicht, weil es nichts zu streiten gibt: Es wird nicht gehandelt, es wird nichts getan. Die Wohnungsnot ist immens, die Schulen werden immer schlechter, die Autowirtschaft kriselt, die Energiewende kommt nicht in Fahrt. Das Land rutscht in vielen Rankings immer tiefer – und seine Regierung klopft sich auf die Schultern, weil sie dabei zuschaut, ohne zu streiten. Wäre es nicht ein klitzekleines bisschen besser, wir hätten eine Landesregierung, die sich ab und zu streitet, dafür aber auch mal anpackt und Probleme löst?

Also: Ob die neue Bundesregierung gut arbeitet oder nicht, wird man an ihrer Arbeit messen müssen, wer die Kanzlerwahl mit einem Horoskop verwechselt, hat auch sonst einiges durcheinandergebracht. Und wir sollten aufhören, uns ständig Staatskrisen basteln zu wollen. Alle, die jetzt durcheinander rennen wie die Hühner bei Gewitter, tun genau denen einen Gefallen, die unsere Demokratie verunglimpfen und mies machen wollen. Ja, das Ende der Ampel war nicht glänzend. Und neun Stimmen mehr als unbedingt nötig ist kein Traumergebnis bei einer Kanzlerwahl. Aber ich lebe lieber in einer Demokratie mit dünnen Mehrheiten und vorgezogenen Neuwahlen als in einem Land, in dem der autoritäre Präsident bei Scheinwahlen immer 100 Prozent der Stimmen bekommt.

80 Prozent von der Hälfte

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80 Prozent von der Hälfte

Dass die meisten Leute Fußball unterhaltsamer finden als Politik, hat verschiedene Gründe. Ein Fußballspiel ist in aller Regel nach etwas mehr als 90 Minuten entschieden, während es in der Politik viel länger dauern kann. Und beim Fußball verstehen (fast) alle die Regeln, bei der Demokratie bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Dass ich mir nicht mehr so sicher bin, ging schon nach der Bundestagswahl los, als es das Gemecker über das BSW gab. Können die an der Fünfprozenthürde scheitern, wo sie doch FAST fünf Prozent hatten? Sorry, aber würde man im Fußball ein Tor zugesprochen bekommen, weil man doch nur ganz knapp danebengeschossen hat? Nein, entweder Tor oder nicht, sonst gibt es keine Regeln und auch kein Spiel.

Und weiter geht es: Nein, CDU und SPD hatten nicht die absolute Mehrheit der Stimmen, sie haben aber die absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag. Wegen der Regeln, die es übrigens schon immer gab, über die man aber jetzt häufiger spricht, weil immer mehr Leute sie nicht mehr kennen.

Nun also der Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag für die nächste Bundesregierung. Ja darf die SPD das denn? Ja darf sie, hat sie auch immer wieder gemacht, zum Beispiel im Jahr 2013. Oder im Jahr 2018. Aber das wissen viele nicht und wundern sich. Wer sich im Fußball nicht auskennt, wird sich auch über ein Abseits wundern. Nur wundern sich dort weniger Leute, und sie wundern sich verschämt im Stillen. In der Politik wundert man sich laut, und die Medien wundern sich mit.

Und nun: Zustimmung beim Mitgliederentscheid. Hohe Zustimmung sogar und manche steile Spekulation der vergangenen Tage entlarvt sich als ebenso wild wie unbegründet. 84 Prozent für den Koalitionsvertrag, das ist nach allen Regeln eindeutig. Und, wenn ich mir diese Wertung gestatten darf, auch sehr erfreulich.

Aber was tun, wenn jemand die Regeln einfach nicht versteht? „Ja, 84 Prozent, aber bei nur 54 Prozent Beteiligung“. Da kommen wieder die, die im Fußball wenigstens ein halbes Tor wollen. Die SPD-Mitglieder haben entschieden, in ausreichender Menge, mit klarem Ergebnis. Was soll denn nun noch sein?

Ach so, nur 84 Prozent von 54 Prozent. Von denen, die nur 16,4 Prozent der Stimmen geholt hatten, bei nur 82,5 Prozent Beteiligung. Das macht dann … Schmarrn.

Weiß jemand noch, wie das Votum bei früheren Mitgliederentscheiden ausfiel? 2013 waren 76 Prozent der abstimmenden Mitglieder für eine Koalition mit der CDU, 2018 waren es 66 Prozent. Damals schrieben die Medien, es gebe eine „breite Zustimmung“ in der SPD. Und heute sind 84 Prozent Zustimmung plötzlich wackelig?

Ich rede viel über Demokratie und ihre Vermittlung, für junge Menschen wie für alle anderen. Und ja, mir fällt als Vergleich eben immer wieder der Fußball ein. In einem Spiel gewinnt der, der mehr Tore schießt. Auch wenn die anderen besser spielten oder schöner, wenn sie Pech hatten oder verletzte Leistungsträger. Und auch das schönste Abseitstor ist und bleibt eben ein Abseitstor. Wer das nicht akzeptiert, kann nicht Fußball spielen.

Wir erleben im Land, wie selbst demokratische Parteien sich immer schwerer tun mit den Regeln. Die FDP verspricht sich etwas von einer künstlichen Verkleinerung des Landtags, und dass das erste Volksbegehren bereits deutlich gescheitert sind, interessiert sie nicht, sie ziehen jetzt noch einmal los. Das Volk ist gefragt, aber nur, so lange es der eigenen Position zustimmt. Wenn nicht, müssen wir das nochmal wiederholen, oder?

Was wir im Bund erleben, ist ähnlich besorgniserregend: Immer mehr Menschen verstehen die Regeln nicht, empören sich über Abläufe und Ergebnisse, die sie vor wenigen Jahren noch gar nicht zur Kenntnis nahmen. Früher machte man sich schlau, wenn man etwas nicht verstand. Man wollte verstehen. Heute reagieren viele Leute anders. Ich verstehe etwas nicht? Dann bin ich nicht neugierig, sondern dagegen.

Fußball hat durchaus etwas von Politik. Man muss seine Gegner nicht mögen, man darf für den eigenen Sieg trommeln, Fahnen schwenken, sich heiser schreien, man darf Tag und Nacht daran arbeiten, alle anderen zu übertreffen. Aber ob es dann auch klappt, zeigt sich im Spiel, und dort wird nach klaren Regeln entschieden. Sonst hat das Spiel keinen Sinn.

Ich kann vielen Leuten wünschen, jetzt erst einmal tief Luft zu holen und die nächste Bundesregierung erst einmal ins Amt kommen zu lassen, ehe man weitermeckert. Und so lange einfach mal ein paar Regeln unserer Demokratie durchlesen, was beim Beobachten des künftigen Spielverlaufs enorm nützlich ist. Mindestens bei 80 Prozent der Hälfte.

Zeit der Zumutungen

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Zeit der Zumutungen

Es soll an dieser Stelle ja immer um Tagespolitik gehen, aber manchmal muss ich halt auch mal ins Grundsätzliche abbiegen. Wenige Tage vor der Bundestagswahl habe ich hier mal prognostiziert, wer im März Bundeskanzler ist. Olaf Scholz, war meine Vorhersage – ganz einfach, weil entgegen landläufiger Meinungen (und etlicher Schlagzeilen) bei einer Bundestagswahl keine Kanzlerin und kein Kanzler gewählt wird und nicht am Tag nach der Wahl in Berlin die Umzugswagen anrücken. Olaf Scholz ist auch jetzt, Mitte April, noch Kanzler. Und er bleibt das so lange, bis Friedrich Merz im Amt ist. Entgegen landläufiger Meinungen (und etlicher Schlagzeilen) ist Deutschland nicht „ohne Regierung“.

Ich habe jetzt mit landläufigem Unsinn angefangen und kann gleich so weitermachen: Offenbar hat ein Teil dieses Landes und seiner Medien im Moment ein ganz besonderes Problem mit der nächsten Bundesregierung: Wie nennt man sie? „Ampel“ war doch so schön kurz, passte in Überschriften und produzierte Autofahrer-Antipathien („Schon wieder eine Ampel!“). Und nun? Marienkäfer-Koalition? Lava-Koalition? The Koalition formerly known as Groß? Kleiko? Wie soll man das denn nennen? Ich habe auch hier einen Tipp: Bundesregierung. Geht immer. Und dann vielleicht mal auf die INHALTE schauen statt auf die Überschriften.

Weiter mit landläufigem Unsinn: Die Koalitionsverhandlungen waren weder ein Strategiespiel noch ein Fingerhakeln, und es ist, mit Verlaub, dämlich, mit Spielanalysen wie beim Fußball um die Ecke zu kommen. Dass so viele Ergebnisse den Forderungen der SPD entsprechen ist weder Zufall noch ein Punktsieg, sondern entspricht schlicht der Faktenlage: Wir müssen investieren, wir müssen die Gesellschaft zusammenhalten, wir müssen Arbeitsplätze sichern und Wohnungen bauen. Wer behauptet, wir müssten Arbeitsplätze vernichten und Wohnungen abreißen?

Umgekehrt werden wir feststellen, dass eine mehrheitlich aus CDU und CSU bestehende Bundesregierung immer wieder Entscheidungen treffen wird, die für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mindestens einen schweren Kompromiss bedeuten. Das kann nicht anders sein, und das muss auch jetzt schon deutlich gesagt werden, während unsere Mitglieder über eine Regierungsbeteiligung abstimmen. Nach dem Wahlergebnis vom Februar wird eine neue Regierungskoalition sich ihre Politik nicht von SPD-Parteitagen in den Block diktieren lassen, das sollte uns allen klar sein. Ja, ich bin zufrieden mit diesem Koalitionsvertrag, und ich finde, wir alle in der SPD können damit zufrieden sein. Aber wir können uns auch darauf einstellen, dass es für uns Zumutungen geben wird.

Genau das sollten wir aber auch allen Leuten klarmachen, überall in Deutschland. Wir haben als SPD erreicht, dass Deutschland wesentlich besser auf die Krisen unserer Zeit reagieren kann, mit mehr Geld, mit mehr Entschlossenheit. Wir haben erreicht, dass sich die nächste Bundesregierung mehr zumuten kann. Aber die Weltlage ist unglaublich unsicher geworden. Allein mit seiner Zollwut hat US-Präsident Donald Trump in wenigen Tagen an den Börsen der Welt Finanzwerte von rund neun Trillionen Euro vernichtet, das ist ZEHN MILLIONEN MAL mehr Geld, als das gesamte Finanzpaket der nächsten Bundesregierung beinhaltet. Da muss man schlucken – und dann feststellen, dass niemand garantieren kann, dass solche Beben an Deutschland einfach vorbeiziehen werden.

Nein, wir müssen uns darauf einstellen, dass sich auch unsere Gesellschaft etwas zumuten muss. Als SPD sind wir mit am Ruder, als SPD wollen und werden wir verhindern, dass diese Zumutungen sozial einseitig ausfallen. Wir wollen Härten vermeiden und denen helfen, die Hilfe brauchen. Aber wer meint, dass in den kommenden Jahren alles beim Alten bleiben kann, der sollte mal wieder Nachrichten schauen. Das sollten wir nicht verschweigen. Nicht vor und nicht nach der Abstimmung in der SPD, nicht in der Partei und nicht in der Öffentlichkeit. In den schwersten Zeiten seit zwei Generationen wird es für uns nicht leichter werden. Ob wir es wollen oder nicht, die Welt wird uns mehr zumuten.

Und auch das gilt wieder genauso für Baden-Württemberg. Ich habe mich gefreut, dass meine Initiative, sich über die Parteigrenzen hinaus über ein Investitionspaket für das Land zu unterhalten, auch bei den Grünen und der CDU sehr offen aufgenommen wurde. Doch bei der Debatte im Landtag wurde ich den bösen Verdacht nicht los, dass die Landesregierung selbst in diesen Zeiten nicht aus dem Mus kommt. Irgendwie will man abwarten, der Bund soll erstmal und die Kommunen, die EU und der Schwäbische Albverein… aber bitte nicht die grün-schwarze Landesregierung. Habe ich gerade über die Leute geschrieben, die meinen, in diesen Zeiten könne alles beim Alten bleiben? Auf der Stuttgarter Regierungsbank sitzen einige dieser Leute. Das ist besorgniserregend, und es ist falsch. Donald Trump wartet so wenig auf Winfried Kretschmann wie Xi Jinping. Es wird Zeit für eine Landesregierung, die sich etwas zumutet.

Die Arbeit geht erst los

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Die Arbeit geht erst los

Das hat es wohl auch noch nicht gegeben in der Geschichte dieses Landes: Einer neuen Bundesregierung, die es noch gar nicht gibt, gelingt ein gewaltiger Schritt für unser Land noch vor ihrer eigenen Bildung, gemeinsam mit einer künftigen Oppositionspartei im (alten) Bundestag und einer weiteren Oppositionspartei im (nicht alten) Bundesrat. Und obwohl die erbitterten Gegner des Finanzpakets immer schriller schäumen, während sie mit Klagen und Einsprüchen scheitern, tönen ausgerechnet diese Gegner, nun sei das Regieren ja quasi zum Kinderspiel geworden: „Mit so viel Geld, das man zum Fenster rauswirft.“

Nun muss also ausgerechnet ich während aller Freude über die Entscheidungen im Bundestag und im Bundesrat, während aller Erleichterung über die abgewiesenen Klagen und während meiner Teilnahme an den Koalitionsgesprächen in Berlin den Jubel dämpfen: Nein, es wird gar nichts kinderleicht werden. Und die Arbeit geht jetzt erst richtig los.

Die Anhänger des Sparschwein-Kults haben den Unterschied zwischen einem privaten und einem öffentlichen Haushalt noch nie begriffen. Das macht ihre Vergleiche mit „schwäbischen Hausfrauen“ so griffig und medientauglich, doch es macht sie nicht weniger falsch. Es wird so getan, als gehe der Staat jetzt zur Bank, hole sich dort mehr als eine halbe Billion Euro ab und mache dann Urlaub damit. Was für ein Unsinn!

Was Bundestag und Bundesrat beschlossen haben, ist lediglich die Möglichkeit, dringend nötige Investitionen auf Kredit zu bezahlen. Und auch hier geht es nicht um einen Privathaushalt, sondern um den Staat, um eine ganze Nation. Es gibt keinen Supermarkt, in dem Deutschland sich neue Brücken kaufen kann oder Wasserstoffpipelines. Wir müssen erst mal jemanden finden, der uns das bauen kann. Selbst in der Rüstungsindustrie wissen viele noch gar nicht, wie sie in diesen Dimensionen liefern sollen.

Mit der Reform der Schuldenbremse ist eine ganz wichtige Blockade beseitigt, sind endlich die Möglichkeiten gegeben, dieses Land aus dem Investitionsstau zu führen. Doch damit das gelingt, müssen wir das Land auch aus dem Reformstau bringen. Es ist dämlich, wenn behauptet wird, diese nötigen Reformen würden mit viel Geld „zugekleistert“. Im Gegenteil: Damit dieses Geld auch Wirken kann, brauchen wir die Reformen noch mehr als zuvor!

Vielem von dem, was Ministerpräsident Kretschmann bei der Abstimmung im Bundesrat sagte, kann ich durchaus zustimmen. Wir müssen viele Zuständigkeiten entwirren, unser Staatsgefüge darf nicht dauernd über die eigenen Füße stolpern. Der Ministerpräsident meinte damit das Verhältnis von Bund und Ländern, wir sollten ihn aber auch beim Wort nehmen, wenn es hier in Baden-Württemberg um das Verhältnis von Land und Kommunen geht.

Und hier in Baden-Württemberg sollten wir auch die Landesregierung beim Wort nehmen, die jetzt richtigerweise dem Finanzpaket zustimmte. Das schafft auch Milliarden-Möglichkeiten für das Land und unsere Kommunen. Diese Freiheiten müssen wir nutzen. Klug und bedacht und nachhaltig. Und gemeinsam. Gemeinsam mit unseren Kommunen, gemeinsam mit den Fachleuten im Land. Und gemeinsam mit allen Demokratinnen und Demokratinnen, die diese dringend möglichen Freiheiten ermöglicht haben. Wir reden über Dimensionen, die jeden üblichen Rahmen sprengen, auch die üblichen zeitlichen Rahmen. Investitionen dieser Tragweite und Wichtigkeit überdauern viele Legislaturperioden und müssen auch Wahlen überstehen, die durchaus zu Farbenwechseln in der Landesregierung führen können.

In diesem Sinne: Ich hoffe, wir verhandeln in Berlin gute Ergebnisse, die zu einer neuen Bundesregierung führen. Ich hoffe aber auch, dass Grüne und CDU in Baden-Württemberg endlich begriffen haben, was für unsere Zukunft auf dem Spiel steht und in welchen Dimensionen wir endlich anpacken müssen. Und dann würde das Verhandeln in Stuttgart weitergehen. Die Arbeit fängt erst an, und wir haben viel zu tun.

 

Wir sind uns doch einig, oder?

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Wir sind uns doch einig, oder?

Wir haben gerade keine Zeit für das übliche Getue. Damit meine ich nicht nur die Parteien, sondern auch alle Schlaumeier in allen Medien, von der Zeitung bis Telegram.

Die gigantischen Aufgaben, vor denen wir stehen, können wir nicht aus der Wechselgeldkasse zahlen. Jetzt zu investieren ist nötig und kostet viel, viel Geld. Aber jetzt nicht zu investieren, kostet uns eine gute Zukunft.

Das hat nun auch die Union begriffen, und ja, vor der Wahl haben die ganz andere Dinge von sich gegeben. Aber wenn sie jetzt einsehen, was die SPD seit Jahren fordert, dann ist das vielleicht spät, aber eben nicht falsch! Und deswegen sind auch all diese neunmalklugen „Im Wahlkampf habt Ihr noch“-Kommentare so falsch wie noch nie. Ja, wir konnten uns eine Zusammenarbeit mit Friedrich Merz nicht so gut vorstellen. Aber jetzt stimmt der Mann Krediten zu und einem gigantischen Investitionspaket. Er redet nicht mehr über geschlossene Grenzen und nicht mehr über deutsche Alleingänge in der Sicherheitspolitik. Sollen wir stur bleiben, wenn er es nicht mehr ist? Weiterlesen